Zu Beginn meiner Jagdhundeausbildungslaufbahn, Anfang der 90er Jahre, hatte ich im VGP Kurs eine Hundeführerin, welche einen Labrador führte. Dieser Hund hat mich fasziniert und ich begann, mich nicht mehr nur um das VJP, HZP und VGP "Ausbildungsprogramm" zu kümmern sondern fing an, mich über Retrieverarbeit, also klassische Dummyarbeit, zu informieren.

 

Ich fand es damals schon sehr hilfreich, einen Hund ganz geziehlt schicken zu können um gefallenes Wild auf schnellstem Weg zu finden. Leider hatte ich nie einen Hund, der es auch nur Ansatzweise geschafft hätte, mehr wie 5 Meter am Stück gerade aus zu laufen, ohne Bogen oder selbständige Suche.  Aus den Augen gelassen hatte ich diese Arbeit mit Retrievern nie ganz, aber wirklich weiter kam ich auch nicht. Und so dümpelte dies fast 20 Jahre vor sich hin.

 

Bis eine winzige, unscheinbare DD Hündin einzog. Ein Winzling von Hund. Aber wie sich schnell, sehr schnell herausstellen sollte, mit einem mega Kämpferherzen und einem enormen Arbeitswillen ausgestattet. Das schönste jedoch: sie hatte einen unheimlichen will to please. In einer ausgeprägten Form wie ich das bei einem DD noch nie gesehen hatte. Und tief in mir keimte die Hoffnung, dass ich mit diesem Hund die Art der Retrieverarbeit unter Umständen vielleicht in Angriff nehmen könnte.

 

Klar, wie das im Leben so ist, hat man für solche Herausforderungen dann nicht die passenden Menschen um sich herum. So suchte ich im großen www nach Material wo ich mich einlesen und mit arbeiten konnte. Die Kosmos Retriever Schule zog ins Haus und die Internetseite von Fritz Siegel (www.retrieverarbeit.eu) wurden neben dem normalen Standardausbildungsprogramm für DD mein ständiger Begleiter im Revier. Manch Landwirt hatte Bauchkrämpfe vor lachen, wenn ich mit Hund, Buch und Laptop im Revier stand und mir die Grundlagen der Retrieverarbeit versucht habe anzueignen. Einiges war logisch, anderes nicht. Viele Dinge ein Buch mit 7 Siegeln.

Zeitweise müssen wir ein ziemlich lustiges Bild abgegeben haben.

 

Bald jedoch merkte ich, dass ich hier Hilfe von einem Profi brauche. Ab diesem Zeitpunkt jedoch merkte ich, dass es als DD Führer nicht wirklich einfach ist, Hilfe aus einem anderen Hundelager zu bekommen. Schmerzlich stellte ich fest, dass ein DD im Retrieverlager nicht willkommen ist. Meine ganze Freude, meine Energie war auf einem Tiefpunkt.  Sollte ich wirklich gescheitert sein?

Zwei Nächte später Stand der Entschluss fest: jetzt erst Recht. Noch mehr Lektüre wurde gewälzt und noch mehr Stunden auf dem Feld verbracht. Und mit Freude stellte ich fest, dass ich einen sehr geduldigen, jedoch hoch intelligenten Hund am Strick hatte.  Diese junge Hündin war ein Arbeitspaket vor dem Herrn. Ganz nebenbei hatten wir mit 6 Monaten noch VJP. Ein Kinderklacks für Gaea. Hat sie quasi auf der linken Arxxxbacke mit bravour absolviert. Wir konnten uns also voll und ganz auf das Dummytraining konzentrieren.

 

Aus dem DD Lager wurde ich mit Spot und Hohn überzogen. Sprüche wie " willst aus deinem DD jetzt nen dusseligen Retriever machen" oder "bring deinem Hund lieber richtiges Jagen bei" waren da noch die nettesten Versionen.

 

Und nach ein paar Wochen, dutzenden Fehlversuchen und Rückschritten hatte es den Anschein, als das ich mit der jungen DD Hündin einen Weg gefunden hatte. Wir machten Fortschritte. Große Fortschritte.  Der Laptop wanderte immer weniger mit ins Revier, auch die Kosmos Retriever Schule blieb immer öfter auf dem Nachttisch zu Hause liegen.

 

Zugegebenermaßen war ich auf mein Ergebnis und meinen Hund stolz. Mega stolz. Aus dem Bauchempfinden heraus war ich überzeugt: wir sind auf dem richtigen Weg. Und vor allem: der Hund ist gut. Sehr gut.

 

Das Problem nur: ich hatte niemanden der mir einen Anhaltspunkt geben konnte oder wollte oder was auch immer. Im Vollgebrauchs- und DD Lager wurde ich belächelt, bei den Retrievern waren wir nicht willkommen. Guter Rat war teuer. Und so entschloss ich mich, Gaea schlicht und einfach auf einer BLP/R zu melden. Die Prüfungsordnung hatte ich Stundenlang studiert, die Aufgabenstellungen hatten wir hoch und runter und kreuz und quer bis zum abwinken geübt. Ich wollte einen Sachstand haben wo wir standen.

 

In meinem jugendlichen Leichtsinn hatte ich geglaubt, es wäre einfach, einen DD auf einer BLP/R zu nennen. Auf der DRC Seite waren super viele BLP/R Termine gelistet, freie Plätze wurden angezeigt. Aber überall wurden wir abgelehnt. Per Zufall laß ich in einem Forum, dass bei einer Retrievergruppe noch mehrere Plätze bei einer BLP/R frei wären und man Starter suchen würde. Also versuchte ich ein letztes Mal mein Glück und meldete. Und ein kleines Wunder: wir wurden angenommen. Die Prüfungsleiterin rief mich an, ob Sie hier tatsächlich die richtigen Daten von dem richtigen Hund hätte. Ein Deutsch Drahthaar? Und noch kein Jahr alt? Ob ich sicher wäre eine BLP/R zu melden. Ja bin ich und ja es wäre kein Fehler.

 

Nun gut. Da standen wir nun. Je näher die BLP/R rückte, um so mehr lagen die Nerven blank. Ich bin in Sachen Hundeprüfung normalerweise cool wie Hundeschnauze. In diesem Fall jedoch hatte ich Null Ahnung wie so eine Prüfung abläuft und was auf mich zukommt.

 

Und dann war er da. Der Tag der BLP/R. Und auch an diesem Tag musste ich leider feststellen, dass einige Retrieverleute uns nicht wohlgesonnen waren. Dies war nun aber nicht mehr zu ändern. Wir waren da, wir waren vorbereitet und wir würden an diesem Tag unser Bestes geben.

 

Schussfestigkeitsüberprüfung: innerhalb von einer halben Minute erledigt. Einige der Retriever hatten hier bereits Ihre Mühen.

 

Weiter ging es ans Wasser. Der Retriever vor uns durfte bereits nach Hause fahren. Nicht bestanden. Ich bekam leichte Panik. Als wir am Uferrand standen war ich nervös, Gaea cool wie ein Eisbrocken. Schussfestigkeit Wasser ein Kinderspiel. Einziges Manko: sie hat mir die Ente vor die Füße gelegt. In diesem jungen Alter sehe ich das noch nach. Zweite Aufgabe: den Hund über eine Wasserfläche schicken und Ente verloren suchen. Die Wasserfläche war gewaltig. Weit, deutlich, über 50 Meter. Ich hatte Angst. So eine Distanz hatten wir am Wasser nie geübt. Jegliche Angst war absolut unbegründet. Die junge Hündin nahm das Wasser sofort an und überquerte die Wasserfläche in einem Zug. Die Ente war schnell gefunden. Intelligenterweise kam Sie über Land zurück. Das ging Ihr wohl schneller wie über die Wasserfläche zurück. Hat uns einige Punktabzüge gebracht. War mir egal. Die Aufgabe hat sie toll gemeistert.

 

Nächste Aufgabe: Verlorenbringen von 3 Stück Wild im Wald. Ich musste Gaea über einen Weg in eine Dickung schicken. Sie war kaum im Wald kam auch schon per Funk: Hund hat gefunden. Das wiederholte sich noch 2x. Wir brauchten keine 3 Minuten für diese Aufgabe. Ein unglaublicher Hund. Auch bei dieser Aufgabe verabschiedete sich ein Retriever nach Hause. Er hat die 3 Stücke innerhalb der erlaubten Zeit von 15(?) Minuten nicht gefunden.

 

Leinenführigkeit: mein persönlicher Alptraum. Zu Recht. Hier wurden wir - zu Recht - so richtig abgewatscht und mit gerade noch so Punkten durften wir weiter an der Prüfung teilnehmen. Jetzt, einige Monate später kann ich mit Stolz sagen: wir haben uns in Sachen Leinenführigkeit um 100% gebessert.

 

Der Walk up. Ich hatte Null Ahnung, was auf mich zukommt. Angst hatte ich, weil alle Hunde diese Aufgabe komplett unangeleingt gearbeitet werden mussten. Ich hatte zu kämpfen aber mit strengen Blicken, immer wieder ein räuspern und ein Schlüssel in der Jackentasche half uns hier bei der Konzentration. Die Aufgabe die Markierung zu arbeiten war Null Problem für den Hund. Ich war baff erstaunt. Was hatte ich für einen tollen jungen Hund an diesem Tag.

 

Zu guter Letzt noch das Einweisen. Ein Alptraum. Der Hund musste mir gebracht werden. Keiner wollte sich bereit erklären, mir den Hund zu bringen. Nach langem hin und her und bitteln und betteln erklärte sich jemand dazu bereit. Das Gelände war schwer. Schwer für mich. Ich glaub dem Hund war es egal. Es war links und rechts abfällig, fast kniehoher Bewuchs. Und ich hatte keinerlei Erfahrung in Sachen mir Fallstellen zu merken. So ungefähr wusste ich, wo die Tierchen liegen mussten. Entsprechend schlecht schickte ich meinen Hund dann auch. Nach dem dritten Stopp weil der Hund nach rechts wollte und ich mir tausend Prozent sicher war das Stück müsse weiter links liegen meinte einer der Richter: nu lassen Sie ihren Hund doch mal.  Tja, wie sich rausstellte, hatte der Hund mal wieder recht. Keine zwei Schritte weiter rechts lag das Stück. Diesen Fehler machte ich beim zweiten Ansetzen nicht mehr und so kam der Hund auch ziemlich direkt in gerader Linie ans Stück.

 

Wir hatten es geschafft. Wir hatten die BLP/R bestanden. Ich konnte es noch gar nicht glauben. Die Retrieverführer hatte ich schon ausgeblendet, ich war mit meinem Hund auf Wolke 7. Im Suchenlokal wollte ich nur noch mein Prüfungszeugnis in Empfang nehmen und auf dem schnellsten Wege nach Hause. Und wie das so ist. Es zog und zog sich.

 

Das Ergebnis des Prüfungstages war: 2 Hunde haben nicht bestanden, Gaea war mit Abstand der jüngste Hund.  Zusätzlich, was mir fast schon unangenehmen war, fing die Prüfungsleitung zu einem längeren Vortrag an. Der Inhalt war: ein junger DD auf einer BLP/R, in so jungem Alter (noch nicht mal 11 Monate alt) mit so einer Leistung, das wäre außergewöhnlich Erwähnenswert, eine großartige Leistung. Ebenfalls erwähnenswert wäre jedoch, dass dieser junge Hund mit 11 Monaten im Fach Arbeitsfreude heute - einstimmig - mit einer 11 bewertet wurde. Auch "stimmte" Sie an, dass es durchaus angebracht wäre, auch für Retrieverführer, hin und wieder einen Blick über den Tellerrand zu wagen.  

Wir wurden an dem Tag mit 294 Punkten letzter der noch verbliebenen Hunde. Das war mir total egal. Ich war und bin nach wie vor sehr stolz, diesen Schritt, hinein in die Retrieverarbeit, gewagt zu haben. 

 

 

Mein persönliches Fazit:

 

Jeder Hundeführer sollte über den Tellerrand des eigenen Hundelagers schauen und sich die Eigenschaften und Manieren, die der Hund anbietet, sich zu nutzen zu machen. Ein DD wird in einigen  Bereichen niemals so perfekt arbeiten wie ein Labrador oder Retriever. Aber man kann mit einem DD ganz wunderbar Dummyarbeit betreiben und Einweisen auch auf größere Distanzen trainieren. Diese Art der jagdlichen Arbeit hat in der praktischen Jagdausübung viele Vorteile.

 

Man sollte sich nicht scheuen, auch mal was neues zu versuchen. Man kann nur dazulernen.

Lasst Euch nicht entmutigen durch manchmal doofe Sprüche oder unfreundliches Verhalten. Wenn Ihr der Meinung seid, Euer Hund kann das und es hilft Euch weiter: dann nehmt es in Angriff. Ihr könnt nur Gewinnen...

 

HoRüd und viel Erfolg